Gewohnheiten
haben Vor- und Nachteile. Manche Verhaltensweisen möchte
man sich aneignen, weil sie Vorteile bringen. Andere
will man loswerden, weil sie unnütz oder gar falsch
sind. Sowohl die eine als auch die andere Bemühung
erweist sich zuweilen als erstaunlich schwierig.
»Ich
residiere in einem Anwesen, in dessen unmittelbarer
Nähe die Kommune mehrere Container aufgestellt
hat, in denen die Bürger Glas (für jede
Farbe einen eigenen Container), Altkleider und Blech
entsorgen sollen. Das tun sie auch sorgfältig
und regelmäßig.
Die
Container für Glas sind metallisch grau verzinkt.
Der für Altkleider ist feuerrot angestrichen
und der für Metall beige und aus robustem Plastik.
Alle wurden mit deutlicher Aufschrift versehen, wo
jeder nachlesen kann, wo beispielsweise das Grünglas,
das Braunglas, die leeren Sardinendosen und so weiter
hinein zu werfen ist. Regelmäßig kommt
ein großer LKW, der die Container mit viel Getöse
entleert.
So
weit, so gut. Jahrzehntelang pilgerten die Einwohner
mit ihren leeren Flaschen, Konservendosen, und abgetragenen
Kleidern zum Sammelplatz, einige mit vollen Schubkarren
oder ganzen PKW-Ladungen. Gelegentlich beobachtete
ich den einen oder anderen bei dessen gewissenhafter
Tätigkeit, sich von wieder verwendbaren Rohstoffen
zu befreien. Dann geschah das Unvorhergesehene.
Das
Entsorgungsunternehmen lud den Container für
Blech auf und entfernte ihn. Der Grund war offensichtlich,
er hatte einen Riss bekommen, und Blechdosen quetschten
sich aus seinem Bauch. Ein neuer Container wurde angeliefert.
Der neue war jedoch nicht beige, sondern glich in
Form und Farbe den Glascontainern. Damit nicht genug,
er war ein wenig größer als der bisherige
und passte nicht an den Platz, wo der alte gestanden
hatte. Denn dort ist der Raum durch einen Zaun eingeschränkt.
Also stellte man die neue Box ganz vorn in die Reihe.
Ein riesiges Schild kennzeichnete den neuen Großbehälter
als zuständig für Blech und anderes Metall.
Als
ich wenige Tage später ein paar leere Konfitüregläser
zur Sammelstelle brachte, traute ich meinen Augen
nicht. Am Boden, wo der bisherige Metall-Container
gestanden hatte, blinkten etliche leere Blechdosen.
Und dabei stand der Metall-Container nur wenige Schritte
entfernt. Sollte es Analphabeten in unserem beschaulichen
Dorf geben? - Ich hob die Dosen auf und warf sie in
den vorgesehenen Container.
Eine
Woche später, ich brachte Flaschen zum Sammelplatz,
lagen wieder leere Konservendosen, wo einst der alte
Container gestanden hatte. Ein größerer
Berg hatte sich aufgetürmt. Wieso wurde der neue
Container am Anfang der Reihe übersehen? Oder
war er bereits voll? Nein. Weit und breit kein Mensch.
Der Sardinendosen-Blechberg konnte nicht von einem
blinden Mitbürger allein hierher getragen worden
sein. Denn ich vermochte mir nicht vorzustellen, dass
jemand den wöchentlichen Fang einer Sardinenfischer-Flotte
in fünf Tagen verspeist. Da mussten mehrere Missetäter
am Werk sein.
Von
meiner Penthouse-Terrasse kann ich auf die Sammelstelle
blicken. Bisher hatte es mich nicht interessiert,
wer dort wann und was entsorgt. Doch nun passte ich
auf, wer sich nicht an die Vorschriften hielt. In
schöner Regelmäßigkeit sah ich hinüber
und erwischte - niemanden. Aber immer wieder warf
irgendwer seine Dosen auf den leeren Containerplatz.
Es
dauerte etliche Wochen, um genau zu sein Monate, bis
meine Mitbürger den richtigen Container entdeckt
hatten.«1
Das
Geschehen am Entsorgungssammelplatz zeigt einerseits,
wie hartnäckig Gewohnheiten sind, selbst wenn sich
die Umstände geändert haben. Andererseits
wird aber auch sichtbar, dass sich Verhaltensweisen
verändern lassen. Etliche Gewohnheiten schleichen
sich ins Leben wie beispielsweise eine pessimistische
Lebenseinstellung. Andere Gewohnheiten müssen mühsam
erlernt werden wie etwa eine gesunde Ernährung.
Hat
man eine unnütze oder gar schädliche Angewohnheit
an sich entdeckt, ist es meist nervtötend, sie
wieder loszuwerden. Die Fesseln der Gewohnheit kann
man deshalb so schwer abschütteln, weil sie zunächst
extrem leicht sind. Man bemerkt nicht, wie sie heimlich
an Gewicht zulegen, sich anketten und dann den Schlüssel
wegwerfen. Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain
gab folgenden Rat: »Eine Gewohnheit kann man
nicht einfach zum Fenster hinauswerfen; man muss sie
Stufe für Stufe die Treppe hinunterlocken.«2
Das Verfahren mag beim Ablegen vieler Marotten
hilfreich sein. Sind jedoch süchtig machende Substanzen
wie Tabak, Alkohol oder andere Drogen im Spiel, ist
oft professionelle Hilfe erforderlich.
Neben
den schlechten Angewohnheiten gibt es zugleich gute
Gewohnheiten, die man getrost beibehalten sollte, weil
sie Vorteile bringen. Von Jesus wird im Neuen Testament
berichtet: »So
kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und
ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge.«3
Es ist sicherlich eine gute Gewohnheit dem Beispiel
Jesu zu folgen und regelmäßig den Gottesdienst
zu besuchen.
Außer
religiösen Gewohnheiten gibt es unzählige
andere Verhaltensweisen, die sich positiv auswirken.
Der englische Gelehrte und Schriftsteller Samuel Johnson
behauptet: »Die Angewohnheit, jedes Geschehnis
von seiner besten Seite anzusehen, ist mehr Wert als
tausend Pfund Sterling im Jahr.«4
Doch eine gute Angewohnheit zahlt sich nicht nur
finanziell aus. Gegenwärtig will niemand alt werden,
sondern ewig jung bleiben. Da mag die Einsicht der österreichischen
Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach hilfreich
sein: »Man bleibt jung, solange man noch lernen,
neue Gewohnheiten annehmen und Widerspruch ertragen
kann.«5
Eine
ruinöse Angewohnheit durch eine effiziente zu ersetzen,
ist ebenfalls eine sinnvolle Methode, sich zu verändern.
Gelingt es nach dem ersten oder zweiten Versuch nicht,
bleibt nur: Üben, üben, üben ...
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1
Ermunterung
ist steuerfrei, Der Metall-Container, S. 100
2 MarkTwain,
1835-1910
3 Lukas
4:16
4 Samuel
Johnson, 1709-1984
5 Freifrau Marie
Ebner von Eschenbach, 1830-1916
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