Neun
Monate vor ihrem Tode wurde meine erste Frau Frieda
für eine Operation in eine private Klinik eingewiesen.
Zuständig für operative Eingriffe war der
Chefarzt des Krankenhauses, der aber nur am Sonntag
Zeit hatte, in der Privatklinik zu operieren. Ich war
an jenem Sonntag als Distriktspräsident nach Landsberg
an der Warthe zu einer Gemeindekonferenz gefahren. Bei
meiner Schlussbotschaft am Abend hatte ich folgendes
Erlebnis:
Mitten in der Botschaft
wurde ich innerlich gezwungen, mich umzuschauen. Rechts
in der Ecke des Podiums sah ich meine Frau stehen. Sie
war dort etwa zwei bis drei Minuten, dann war sie wieder
weg. Ich gab meine Botschaft zu Ende. Am Schluss des
Gottesdienstes kamen alle Anwesenden zu mir ans Podium
und fragten, ob ich eine Vision gehabt hätte. Auf
meine einfache Antwort, dass meine Frau anwesend gewesen
sei, befürchteten alle das Schlimmste für
meine Frau. Auch ich konnte kaum die Heimkehr abwarten.
Nachts um halb eins war ich zu Hause. Kaum war ich im
Zimmer, als mein Schwager anrief und erzählte,
dass der Arzt, der des Abends meine Frau operierte,
gefunden hätte, dass es besser für sie wäre,
nicht mehr aus der Narkose zu erwachen. Es wurde mir
berichtet, dass der Arzt vielmals in meiner Wohnung
angerufen hätte, um von mir die Zustimmung zu erhalten,
sie einschlafen zu lassen. Aber er konnte niemand erreichen.
Mein Schwager wusste, wo ich war, und als er in der
Klinik anrief, um sich nach dem Befund zu erkundigen,
wurde ihm dieses mitgeteilt.
Zu der Zeit, als meine
Frau bei mir in Landsberg auf dem Podium stand, war
der Arzt erleichtert und sagte zu der Leiterin der Klinik,
die ihm assistierte: "Endlich ist sie eingeschlafen,
ein Glück für sie." Er hatte schon seinen
Kittel ausgezogen und wusch sich die Hände, da
rief die Leiterin der Klinik, welche nochmals nach der
Toten sah: "Herr Doktor schnell, wir müssen
weitermachen, sie lebt wieder." Es waren etwa fünf
Minuten, wo sie tot gewesen sein soll. Jene Zeit also,
wo ihr Geist bei mir in Landsberg war. Der Arzt tat
dann noch das Notwendige und nähte alles zu. Nach
ein paar Tagen durften wir sie nach Hause holen und
sie lebte noch etwa neun Monate, obwohl keine Hoffnung
auf Besserung bestand. Es war Krebs in sehr großem
Maße festgestellt worden.
An einem Sonntag, wo sie
dem Tode nahe schien, hatte ich wiederum eine Gemeindekonferenz
zu besuchen. Es war die kleinste Gemeinde des Distrikts,
Flatow. Da wollte ich gerne zu Hause bleiben, um in
ihrer Gegenwart zu sein. Aber sie bat mich flehentlich
zu fahren, es sei eben meine Berufung vom Herrn, und
den dürfe ich nicht enttäuschen. Sie gab mir
ihr heiliges Versprechen, sie würde so lange leben,
bis ich wieder zu Hause sein würde. Ich hatte immer
eine Nichte bei meiner Frau, wenn ich des Sonntags weg
musste, so auch an diesem Tage. Aber als ich heimkam,
waren mehr als zwanzig Schwestern in der Wohnung, welche
mich nicht gerade freundlich begrüßten und
mir Vorwürfe machten. Da richtete sich meine Frau
im Bett auf, bedrohte die Schwestern und sagte: "Ich
bat meinen Mann zu fahren, um seine heilige Berufung
zu erfüllen, ich gab ihm mein Versprechen, so lange
zu leben, bis er wieder zu Hause ist. Habe ich dies
nun gehalten oder nicht?" Die Schwestern wurden
ruhiger und verließen einzeln die Wohnung. Des
Morgens, etwa zwischen drei und vier Uhr, starb sie
dann unter meinen Augen. Ich saß die ganze Nacht
an ihrem Bett.
Ich habe viele Erlebnisse
dieser Art gehabt, die in einem Ringbuch aufgezeichnet
sind. Sie haben mein Zeugnis gestärkt. Nicht ich
war es, der jene Wunder tat. Es war der Herr, ich war
nur sein gehorsamer Diener, welcher gerade das tat,
wozu der Herr mich beauftragte. Ich gebe Zeugnis, dass
Gott lebt. Dass Jesus Christus wirklich vorhanden ist.
Dass wir durch den Heiligen Geist inspiriert Dinge erfahren
können, welche wir sonst nie erfahren hätten.
Ich sage dies im Namen Jesus Christus und in tiefster
Demut. Amen.
JOHANNES E. P. KINDT schrieb
den vorliegenden Bericht im Alter von 83 Jahren. Er
starb am 16. März 1984 in Hamburg. 1897 geboren,
schloss er sich 1924 in Schneidemühl der Kirche
an. Als stets aktives Mitglied war er in fast allen
erdenklichen Berufungen tätig. Fast zwanzig Jahre
wirkte er als Patriarch des Pfahles Hamburg. Rund 1500
Mitglieder verdanken ihm ihren patriarchalischen Segen.
Nach dem Kriege trug er als Distriktspräsident
entscheidend dazu bei, die Gemeinden im Hamburger Raum
aufzubauen. Aus seinen zwei Ehen gingen sieben Knaben
und drei Mädchen hervor.
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