Das
Restaurant an der Landstraße außerhalb des
Dorfes machte einen guten Eindruck, gepflegt und sauber.
Soeben war der Abendstern aufgegangen, und dezente Lampen
erhellten das Gebäude. Mit der Lady meines Herzens
beschloss ich, die kulinarischen Angebote der Küche
zu testen. Weil es ein warmer Sommerabend war, setzten
wir uns an einen Tisch auf der Terrasse.
Kaum waren die Speisen serviert und
der Ober wieder im Gebäude verschwunden, tappte
ein riesiger, schwarzer Hund gemächlich um die
Hausecke, wie ein Wachmann, der seine Runden dreht.
Doch er drehte keine Runde. Noch ahnte ich keinen Ärger,
obwohl er mich an Satan persönlich erinnerte. Hatte
ich so ein Tier nicht auf mittelalterlichen Teufelsdarstellungen
gesehen? Der Mischling war offenbar das Ergebnis einer
leidenschaftlichen Liebe zwischen einem Berner Sennenhund
und einem belgischen Bloodhound. Er steuerte langsam
und zielstrebig auf unseren Tisch zu.
Er war groß; seine Schnauze
würde bis an die Tischkante reichen. Auch dass
bemerkte ich, obwohl er noch etliche Meter von unserem
Tisch entfernt war. Nun bin ich zwar tierlieb, aber
als jener schwarze Geselle bis auf eine Armlänge
heran gezottelt war und gierig auf meinen Teller schaute,
erkannte ich die Grenzen meiner Tierliebe. Ich war nicht
bereit, mir mein Nachtmahl wegschnappen zu lassen, und
informierte ihn deutlich und unmissverständlich
darüber.
»Pfui!«, sagte ich. Und
noch einmal etwas lauter: »Pfui! Verdufte! Hau
ab! Das ist mein Essen! Geh weg! Weg hier! Verschwinde!«
Die letzten Worte hatte ich schon etwas lauter gesagt.
Doch den schwarzen Kerl interessierten
meine Wünsche nicht im Geringsten. Als habe er
nichts gehört positionierte er seine Schnauze noch
näher an den Steak-Teller. Die Situation wurde
brenzlig. Die Lady meines Herzens schaute mich mit großen
Augen an und hielt ihre Hände schützend über
ihren Teller. Doch sobald es darauf ankäme, würde
sie die makellos lackierten Fingernägel blitzschnell
in Sicherheit bringen. Da war ich mir sicher.
Keine Frage, jetzt war meine Stunde
als Beschützer und Retter gekommen. Denn nachdem
der ungebetene Gast meinen Teller geleert hätte,
würde er sich über den der Lady meines Herzens
hermachen. Und wer weiß, vielleicht mochte er
auch meine strammen Fußballerwaden. Das musste
verhindert werden. Aber was sollte ich tun?
Vom Ober keine Spur. Wir waren die einzigen Gäste
auf der Terrasse. Das schwarze Monstrum hatte meine
eindeutigen Befehle schlichtweg ignoriert. Aus seinem
riesigen Maul hing eine feuchte Zunge, und aus beiden
Maulwinkeln tropfte es. Das Steak hatte es ihm offenbar
angetan, es duftete aber auch zu verführerisch
und ich wusste: Es schmeckte vorzüglich. Allein
deshalb wollte ich es nach nur zwei Bissen nicht kampflos
hergeben.
Ich sah mich nach einem geeigneten
Mordinstrument um. Denn mit bloßen Händen
mochte ich mich nicht auf das schwarze Ungeheuer stürzen.
Die Gabel, das Messer - Spielkram. Der leere Stuhl am
Nachbartisch, damit das Untier in die Flucht schlagen?
Nein, mit Sicherheit nicht, filigranes Rohrgeflecht,
ein Prankenhieb, und ich stünde mit leeren Händen
da. Warum kam denn niemand aus dem Restaurant? Man musste
doch meine markerschütternden Befehle gehört
haben. Sollte ich den ganzen Nachbartisch auf die Bestie
schleudern? Auch aus Rohrgeflecht, aber deutlich stabiler.
Da hatte die Lady meines Herzens die
rettende Idee. Ihre grünbraunen Augen funkelten
den Bluthund an, und sie sagte laut und scharf ein einziges
Wort: »Non!!!«
Augenblicklich senkte der Köter den Kopf, zog den
Schwanz ein, machte sich klein und verschwand schnurstracks
hinter der Hausecke.
Mit offenem Mund sah ich die Lady
meines Herzens an. »Wie, der hört nur auf
Frauen und nicht auf Männer?«, wollte ich
fragen.
»Nun«, antwortete sie
ruhig und legte ihre Hand auf meine. »Schau mal,
die Speisekarte ist in französischer Sprache, der
Ober sprach mit uns französisch, kurz: Wir sind
in Frankreich. In diesem Land, wo schon die kleinen
Kinder französisch sprechen, müssen wir davon
ausgehen, dass auch die Hunde ausschließlich die
Landessprache verstehen.«
»Aha«, sagte ich tonlos.
»Du sprachst deutsch mit dem
Hund. Das hat er nicht verstanden. Mein französisches
Non hingegen, hat er sofort kapiert.«
Einsichtig stimmte ich ihr zu. Wie
konnte ich diese Selbstverständlichkeit übersehen?
Wenn man sich Gehör verschaffen will, muss man
die Sprache sprechen, die verstanden wird. - Und das
trifft nicht nur auf Hunde zu.
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