Elisabeth
war der schönste Frosch im großen Waldsee.
Sie war so schön, dass viele Frösche bei ihr
um die Hand anhielten. Denn alle Froschmänner wollten
sie heiraten. Im Laufe der Jahre hatte Elisabeth sich
schon viele Verehrer angeschaut, aber keiner war ihr
gut genug. Der erste quakte nicht melodisch, einfach
fürchterlich. Ein anderer hatte ihr zu kurze Beine
und machte zu kleine Sprünge. Ein dritter war nicht
so schön grün wie sie. An jedem hatte sie
etwas auszusetzen.
So verging ein Jahr nach
dem anderen und Elisabeths Schönheit nahm ab. Zuerst
merkte sie es nicht. Aber ihre Haut bekam Falten und
sie schwamm nicht mehr so elegant durch den See wie
früher. Das hatte Folgen. Es kamen weniger Verehrer.
Doch Elisabeth sagte sich:
Es kommen nun wohl weniger Verehrer, weil die
meisten schon da waren und nicht mehr so viele übrig
sind. Aber der richtige war noch nicht da. Der wird
schon nach kommen. Den heirate ich dann.
Dass Elisabeth wirklich
keine guten Chancen mehr bei den Froschmännern
hatte, bemerkte sie erst, als sie beim jährlichen
Schönheitswettbewerb in der Vorentscheidung ausschied.
Das gibts
doch nicht, quakte sie wehleidig. Seit drei
Jahren bin ich die Schönste im Waldsee, und nun
bekomme ich nicht einmal genug Punkte für die Vorentscheidung.
Plötzlich ließ
sich kein Verehrer mehr bei Elisabeth blicken. Niemand
suchte sie auf. Niemand mehr quakte fröhlich die
neuesten Witze und brachte Leckerbissen mit. Einsam
und allein musste Elisabeth selber nach Fliegen und
Würmern jagen, um nicht zu verhungern. Beleidigt
zog sie sich in eine kleine Bucht des großen Sees
zurück. Als sie ganz traurig auf einem Seerosenblatt
saß, sprach ein Fuchs zu ihr.
Ich habe dein Klagen
gehört, sagte er. Die Frösche
sind ungerecht zu dir. Du bist immer noch die Schönste.
Allerdings hat deine Haut ein wenig gelitten. Ich kenne
aber ein Mittel, wie die Falten und Risse aus deiner
Haut wieder verschwinden. Und auch deine hübschen
Farben werden wieder in vollem Glanz erstrahlen.
Der Fuchs stand am Ufer
und nickte freundlich zu Elisabeth hinüber. Ins
Wasser gehen mochte er nicht. Denn er konnte nicht schwimmen.
Aha, sagte
Elisabeth. Was für ein Mittel ist das?
Nicht weit von hier,
erklärte der Fuchs, da gibt es Rhabarberstauden.
Du musst dich nur bei Sonnenschein auf eines der Blätter
legen, mindestens drei Tage lang, dann...
Du denkst wohl,
weil ich schön bin, bin ich auch doof, quakte
Elisabeth. Wenn ich hier aus dem See auf die Wiese
hüpfe, dann schnappst du mich doch gleich und verspeist
mich. Frösche sind zwar nicht deine Lieblingsspeise,
aber wenn du nichts besseres findest, greifst du gerne
zu. Ne, ne, nicht mit mir.
Aber ich meine es
doch nur gut mit dir, sagte der Fuchs beleidigt.
Du willst doch wieder die Schönste im Waldsee
sein. Nie und nimmer will ich dich fressen. So einen
schönen Frosch frisst man doch nicht. Aber ich
sehe, du misstraust mir. Ich mache dir einen Vorschlag.
Der Rhabarber ist nicht weit von hier, wo ich stehe.
Ich gehe auf die andere Seite des Waldsees und sonne
mich dort drüben ein wenig auf dem großen
Stein am Ufer. Vom Rhabarber aus kannst du mich sehen.
Und falls ich von dort weggehe, kannst du schnell wieder
ins Wasser hüpfen. So schnell kann kein Fuchs um
den See laufen, um dich noch zu erwischen.
Elisabeth ließ sich
erklären, wo der Rhabarber wuchs und sagte dann:
Gut, ich will die Heilkraft des Rhabarbers ausprobieren.
Mach dich auf den Weg.
Der Fuchs trabte davon.
Als Elisabeth sah, wie sich der Fuchs auf dem Stein
ausstreckte, sprang sie vom Seerosenblatt und schwamm
an Land. Den Rhabarber fand sie wie beschrieben und
legte sich so darauf, dass sie den Fuchs sehen konnte.
Nun hatte der Fuchs aber
zuvor ein Abkommen mit dem Storch getroffen. Immer,
wenn er sich auf den Stein legte, war es das Zeichen
für den Storch, dass er sich einen Frosch vom Rhabarber
holen konnte. Der Stein war vom Storchennest hoch oben
auf der Kirche gut zu sehen.
Als Gegenleistung musste
der Storch dem Fuchs sagen, wo gerade niemand zu Hause
war. Dort konnte er sich dann ungestört ein Huhn
aus dem Hühnerstall oder ein paar Würste aus
der Speisekammer holen. Denn von seinem hohen Nest sah
der Storch genau, wenn jemand das Haus verließ.
Schau, sagte
Frau Storch zu ihrem Mann, der Fuchs liegt auf
dem Stein. Hole schnell den Frosch. Da brauchst du nicht
lange suchen, nur einfach zupacken. Ich bleibe bei den
Kleinen.
Also breitete Herr Storch
seine Flügel aus und flog in Richtung Rhabarber.
Aber dort war kein Frosch. Er schaute unter alle Blätter
und suchte um den Rhabarber herum, nirgends ein Frosch.
Und, wo kann ich
einsteigen?, fragte der Fuchs, als er den Storch
heran fliegen sah.
Nirgends,
antworte der Storch und klapperte böse mit dem
Schnabel. Was erlaubst du dir? Das war blinder
Alarm. Kein Frosch, keine Auskunft. Damit tat
er einen kräftigen Flügelschlag und flog zurück
zum Nest auf der Kirche.
Der Fuchs mochte nicht
glauben, was er da gehört hatte. So viele Frösche
hatte er schon auf den Rhabarber gelockt. Dem einen
hatte er versprochen, dass der Rhabarber die Bauchschmerzen
beseitigen würde. Einem anderen sagte er, dass
ein halber Tag auf dem Rhabarber die Sehkraft seiner
Augen stärken würde. Und wieder einem anderen
hatte er versprochen, dass der Rhabarber leise im Schlaf
sprechen würde. Wenn man ihn beispielsweise fragte:
Welches Froschmädchen ist in mich verliebt?
Dann könne man es vom Rhabarber erfahren. Viele
Froschjungen waren auf diesen Trick hereingefallen und
vom Storch geschnappt worden. Wieso lag die schöne
Elisabeth nicht mehr auf dem Rhabarber, als der Storch
eintraf?
Der Fuchs lief zurück
an die Stelle, wo er zuletzt mit Elisabeth gesprochen
hatte. Weit vom Ufer saß sie im Wasser. Nur ihre
Augen steckten noch heraus.
Deine faltige Haut
ist aber schnell geheilt, sagte der Fuchs hinterlistig.
Ist sie nicht,
antwortete Elisabeth schnippisch. Ich habe deinen
Plan durchschaut. Die Vereinbarung mit dem Storch kannst
du vergessen. Nie mehr wird ein Frosch auf deine Lügen
hereinfallen. Ich habe alle Frösche im See gewarnt.
Ohne ein weiteres Wort
ging der Fuchs davon. Wie war dieser kleine Frosch nur
hinter das Geheimnis gekommen?
Als Elisabeth knapp eine
Minute auf dem Rhabarberblatt gelegen hatte, war ihre
Haut ganz trocken geworden. Ja, sogar ein Sonnenbrand
schien sich zu bilden. Entsetzt war sie wieder ins Wasser
gehüpft. Und da sah sie, wie der Storch heran flog,
und den Rhabarber absuchte. Als er nichts fand, flog
er direkt weiter zum Fuchs. Nun war ihr alles klar.
Die beiden steckten unter einer Decke.
Durch dieses Erlebnis
war Elisabeth nicht schöner geworden. Der nächste
Schönheitswettbewerb fand ohne sie statt. Dafür
sprachen nun alle Frösche im See von der klugen
Elisabeth. Und weil sie als weise galt, benahm sie sich
jetzt auch so. Sie schaute nicht mehr nach dem schönsten
Froschmann aus. Als jener vorbei hüpfte, den sie
vor langer Zeit abgewiesen hatte, weil er nicht melodisch
genug quaken konnte, fragte sie: Gilt dein Angebot
noch? Willst du mich noch heiraten?
Aber natürlich,
quakte der Frosch total unmelodisch. Sein Quaken war
immer noch fürchterlich. Doch das störte Elisabeth
nun nicht mehr. Sie hatte inzwischen eingesehen, dass
es keine vollkommenen Frösche gibt. Die beiden
heirateten und waren sehr glücklich.
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